Dass Sympathie für ein erfolgreiches psychologisches Arbeiten unverzichtbar ist, so auch in der Paartherapie – darüber muss man nichts schreiben, das ist jedem einsichtig.
Lassen Sie uns trotzdem ein wenig tiefergehen und einige weitere Aspekte betrachten.
Können ist nicht alles
Psycholog:innen, Psychologische Berater:innen, Heilpraktiker:innen für Psychotherapie, Paartherapeut:innen und vermutlich alle, die in irgendeiner Weise mit dem Seelenleben von Menschen in Kontakt kommen, sind öfter, als ihnen lieb sein kann, auf ihre Intuition und auch auf ein Quäntchen Glück angewiesen.
Wissenschaftlich als wirksam bestätigte Methoden und Techniken sind das eine und die Basis für gute Arbeit. Das andere sind die „Räume dazwischen“, das „Ungreifbare“, das nichts mit Techniken und Methoden zu tun hat.
Unsere menschliche Psyche ist ein hoch komplexes, nur schwer fassbares „Etwas“, das einer Erkundung vermutlich nie vollkommen zugänglich sein wird. Und je mehr man lernt, weiß und an Erfahrung gewinnt, umso erstaunter ist man, dass man sich überhaupt noch traut, mit ihr zu arbeiten.
Es mag am Selbstverständnis unserer Zunft und auch am persönlichen Selbstwert kratzen, aber längst nicht alles, was in Beratung, Psychotherapie oder Paartherapie gelingt, ist einer beeindruckenden Kompetenz zuzuschreiben. Dies wissen auch alle Kolleg:innen, die sich kritisch mit sich und ihrer Arbeit auseinandersetzen.
Als Begleiterin oder Begleiter merkt man dies spätestens dann, wenn sich bei Klient:innen oder Patient:innen etwas verändert und der Grund, warum es sich verändert, nicht so ganz klar ist. Sicher, man hat diese oder jene Technik verwendet. Aber oft genug weiß man selbst, dass es das allein nicht gewesen sein kann.
Oder, die andere Möglichkeit:
Man weiß gar nichts!
Ich erinnere mich noch gut an die Kommunikation mit einer Klientin. In einer Mail etwa vier Wochen nach dem ersten und einzigen (längeren) Gespräch bedankte sie sich herzlich und teilte mir mit, dass sich die Beziehung zu ihrer Mutter grundlegend verbessert habe. Sie und ihre Mutter würden sich auf einer ganz neuen Ebene begegnen.
Aber was bitte hatte diesen Umschwung verursacht?
Ich konnte mich an keine Gesprächssequenz erinnern, die eine solche Veränderung gerechtfertigt hätte.
Die Klient:in war zwar wegen der schlechten Beziehung, die sie mit ihrer Mutter hatte, gekommen, hatte sich dann aber dafür entschieden, über andere Probleme zu sprechen. Die Schwierigkeiten mit der Mutter waren zu einem Randthema geworden.
Ein anderes Beispiel – Paartherapie, erstes Gespräch:
Es ging “irgendwie” zäh voran. Das dachte ich jedenfalls. Nach einer knappen Stunde musste ich für eine Toilettenpause den Raum verlassen.
Als ich nach fünf Minuten zurückkam, saß sie bei ihm auf dem Schoß!
Was genau passiert war, konnten mir die beiden nicht erklären. Als sie zu mir kamen, waren sie sich schon so entfremdet, dass ich buchstäblich mit allem, aber ganz sicher nicht damit gerechnet hätte.
1000 Euro für jemanden, der mir hätte sagen können, was sich bei den Zwei innerlich und auch in der Zwischenzeit, als ich auf dem Häuschen war, abgespielt hatte!
Sympathie und „Chemie“ in Psychologischer Beratung und Paartherapie
Es kommen also noch andere Faktoren ins Spiel, besonders solche, die man nicht „machen“ kann und die nicht unserem Wollen unterworfen sind.
Woran es liegt, können auch meine Kolleginnen und Kollegen nicht sagen. Im fachlichen Austausch blickt man bei diesem Thema immer in fragende Gesichter.
Interessant, spannend, überraschend:
Es hat nicht grundsätzlich mit großer Sympathie zu tun. Es kann gut sein, dass sich Klient:innen und Begleiter:innen höchst sympathisch sind, sich aber über Wochen mit Schwung im Kreis drehen und kaum einen Schritt weiterkommen.
Andersherum empfindet man sich gegenseitig als „Ja, ist okay, geht ganz gut.“, wäre aber weit davon entfernt, sich als Privatpersonen zu einem gemütlichen Abend in der Kneipe zu treffen. Und trotzdem funktioniert es! Da geht was vorwärts!
Bitte speichern Sie für sich ab
Große Sympathie, die man in der Psychologischen Beratung, Psychotherapie oder Paartherapie füreinander empfindet, ist keine Garantie für Erfolg.
Gar keine Sympathie allerdings ist die Autobahn ins Aus, mag er oder sie auch tonnenweise Ausbildungen, Kompetenz und Erfahrung vorweisen können.
Da fehlt es dann an der berühmten Chemie, die einfach stimmen muss.
Und am Vertrauen. Vertrauen ohne Sympathie gibt es nicht. Sie werden nicht mit jemandem arbeiten können, der Ihnen irgendwo oder irgendwie quer liegt.
Warum das so ist, braucht Sie nicht zu interessieren. Wichtig ist nur, dass es so ist und dass Sie es wahrnehmen.
Was Sie mit dieser Wahrnehmung anstellen, ob Sie sie anerkennen oder nicht, wird darüber entscheiden, wie die psychologische Arbeit für Sie verlaufen wird.
Bitte achten Sie darauf und suchen im Zweifelsfall weiter, auch wenn es wieder Zeit und Mühe kostet.
Die Alternative dazu ist nicht empfehlenswert, was ich Ihnen aus eigener Erfahrung verbindlich versichern kann.
Außerdem:
Sich gut leiden und “gut miteinander” zu können, macht auch Freude. Man fühlt sich wohl in der Gegenwart des jeweils anderen – die gemeinsam verbrachte Arbeits-Zeit bekommt schon allein dadurch Qualität.
Und das ist viel wert!
