(oder eine Paarberatung / ein Paarcoaching, kurz: eine Paarbegleitung)
8 Minuten Lesezeit
Eine Paartherapie dauert lange. Und noch länger. Eigentlich ewig.
Das zumindest wollen Ihnen einige Leute vom „Fach“ glauben machen.
Solche Typen sind für mich keine Kolleg:innen und repräsentieren nicht den Berufsstand seriöser Paarbegleiter:innen.
Falsch-Darstellungen
Was sie davon haben?
Sie versuchen, sich gut zu positionieren. Mit ihren eigenen Angeboten, mit denen eine angebliche Neverending Story umgangen werden kann.
Als „Gegenmittel“ kann man – so wie ich – von persönlichen Erfahrungen in der Arbeit mit Probe- und regulären Klient:innen berichten und auch auf wissenschaftliche Studien verweisen.
Richtig-Stellung
Hier das Wesentliche kurz zusammengefasst:
Erfahrungsgemäß sagen etwa drei von zehn Paaren gewissermaßen nur mal kurz „Hallo“. Nach einem bis fünf Terminen (90 bis 120 Minuten) ist die Sache erledigt.
Ungefähr vier Paare müssen mehr tun und gehen bis zu neun Mal in Paarberatung, Paarcoaching oder Paartherapie.
Ein Paar von zehn muss ordentlich rudern und braucht 15 bis 25 Sitzungen, bis ein stabiler Punkt erreicht ist und die Beziehung als saniert gelten kann.
Oder zumindest als soweit repariert, dass man gut miteinander auskommt. Etwa, weil man sich für den Augenblick nicht trennen kann oder trennen will.
(Eine solche Begleitung hatte ich bisher nicht – das ist die Erfahrung von Kolleg:innen.)
Von vielen Monaten (wie viel sind viele?) oder gar Jahren kann also keine Rede sein!
Jahre werden nur dann ins Land gehen, wenn man einmal im Quartal einen Termin vereinbart, der bei solch langen Zeitabständen aber für die Katz ist.
Schade …
Für etwa zwei von zehn Paaren ist eine klassische Paarbegleitung nicht der richtige Weg.
Dies kann sich auf den Zeitpunkt beziehen, zum Beispiel, weil zunächst eine andere Maßnahme zielführender ist.
Es kann auch sein, dass eine Paarbeit grundsätzlich nicht funktioniert. Ich komme später darauf zurück.
Bleiben wir zunächst bei dem einen Paar, das schwer zu kämpfen hat, um seine Beziehung zu retten.
Oder sich eine Verbindung zu erarbeiten, mit der es in Zukunft trotz seelischer und räumlicher Trennung zufrieden sein kann und sich wohlfühlt (beispielsweise, weil man sich noch gemeinsam ohne Gezeter um die Kinder kümmern will).
Ein vertiefter Blick ins Geschehen
Bitte behalten Sie immer im Hinterkopf:
Was die Dauer einer Begleitung anlangt, kommt es auf viele verschiedene Faktoren an.
So könnte dieses oder jenes Problem, für sich genommen, einfach und in kurzer Zeit zu bearbeiten sein.
Aber oft sitzen mehr Personen als nur die Partner:innen und die Begleiterin oder der Begleiter im Arbeitsraum.
Denn da sind noch die anderen … die „Schattenklient:innen“!
Menschen aus dem familiären und sozialen Umfeld wie Kinder, Jugendliche, Eltern und Schwiegereltern, Geschwister, bereits erwachsene Kinder, Freund:innen, Arbeitskolleg:innen, Ex-Partner:innen …
Sie mischen häufig kräftig mit – auch wenn sie gar nicht anwesend sind. Aber die Beziehungen mit und zu ihnen wirken sich in oft unvermuteter Weise aus.
Und, auf keinen Fall zu vergessen:
Sonstige Umstände.
Damit die Sache mit den „sonstigen Umständen“ (be-)greifbar wird
Zwei Beispiele aus dem beruflichen Themenkreis, und beide Situationen fingern mit ihren giftigen Tentakeln in die Partnerschaft hinein:
Beispiel 1
Sie arbeiten seit einem Jahr für einen anstrengenden Kunden, der wichtig für den Ausbau Ihres Geschäftes ist, ständig Änderungen will und permanent etwas zu meckern hat.
Dies kann ungeahnte Folgen für Ihr Liebesleben und Ihre familiären Beziehungen haben! Wie genau und in welchem Umfang, offenbart sich nicht immer innerhalb der ersten Sitzungen.
Für Sie unverständlich:
Sie fühlen sich gut! Dynamisch! Voller Energie! Sie arbeiten viel, schaffen viel, und sehen nirgends ein Problem. Dass man auch Kröten schlucken muss, wenn man den Teich aussaufen will, ist doch normal, oder?
Und Jammern über die Kundschaft hat noch niemandem geholfen. Deshalb haben Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin nichts davon erzählt. Sie machen Unangenehmes lieber mit sich selbst aus.
Stimmt. Jammern hilft nicht. Aber irgendwo müssen Frust und Ärger bleiben.
Im Zweifelsfall beim Partner oder der Partnerin …
Ihrer Paarbegleitung kommt daher die Aufgabe zu, immer auch außerhalb Ihrer Partnerbeziehung nach eventuellen (zusätzlichen) Gründen für die Verschlechterung Ihrer Verbindung zu suchen.
Da bleibt es nicht aus, dass verschiedene Bereiche und Situationen Ihres individuellen wie auch gemeinschaftlichen Lebens abgeklopft und bestimmte Sichtweisen („Mir geht’s super!“) achtsam hinterfragt werden.
Dieses Abklopfen und Hinterfragen kann Sie Zeit und einige Sitzungen kosten.
Beispiel 2
Sie sind vor drei Jahren in eine Führungsposition mit Verantwortung für vierzig Mitarbeitende befördert worden, wurden aber nicht durch vorbereitende Seminare und Coaching gestützt.
Dies ist bis heute so geblieben. Der Inhaber des kleinen Unternehmens, der früher die Rolle des Allrounders innehatte, sieht keinen Bedarf oder ist sich über die Probleme, die damit herangezüchtet werden können, nicht im Klaren.
Ohne dass es Ihnen in der ganzen Tragweite bewusst ist, werden Sie zwischen unterschiedlichsten Anforderungen zerrieben und stehen unter enormen Druck.
Das ist eben so, denken Sie, da muss man durch, das ist der Preis! Außerdem sind Sie kein – pardon – Weichei oder eine Frau ohne Kreuz.
Und deshalb antworten Sie auf die Frage nach Ihrer beruflichen Belastung mit einem „Ja, klar, ist schon viel. Das ist halt der Job, und der wird ja auch gut bezahlt. Aber es macht auch Spaß!“
Ihre Beziehung hatte sich kontinuierlich verschlechtert, weil die Kommunikation genervter, sexuelle Begegnungen weniger innig und gemeinsame freie Stunden seltener wurden – Sie hatten sich auch zu Hause in Ihrer Arbeit, sprich: Projektpläne und Fachlektüre vergraben.
Dass Ihre scheinbar positiv gefärbte Antwort auf die Frage nach der Belastung die Wirklichkeit nicht abbildete und das Kernproblem in einer fehlenden Vorbereitung auf die Führungsposition zu suchen und zu finden ist, darauf muss man als Paartherapeutin erst einmal kommen!
Dabei haben wir bei beiden Beispielen bislang nur eine Seite betrachtet: Ihre.
Denn was Ihre Partnerin oder Ihr Partner an Themen mit in die Paararbeit einbringt, was dabei in Ihr Problem „hineinragt“, hierdurch mitentstanden oder auch ganz unabhängig davon zu sehen ist, muss mit Forschergeist auseinanderklamüsert werden.
Und was an ungünstigen sog. Glaubenssätzen über Liebe, Familie, Arbeit usw. in Ihren beiden Köpfen sein Unwesen treibt, müssen Paarbegleiter:innen erst mit „liebevoller Hartnäckigkeit“ herausarbeiten.
Deshalb bitte nie schlussfolgern, dass man (selbst) „ein schwerer Fall“ ist, wenn es länger dauern sollte, als man es gerne hätte.
Und ja:
Manchmal sind wir mit unseren ureigensten Themen ordentlich beschäftigt (nehmen Sie sich zwei Tage frei und fragen mich …).
Dann wäre es gut, Verständnis und Geduld für uns aufzubringen, weil wir eben keine Maschinen sind, sondern fühlende Wesen.
Die traurigen Momente in der Paararbeit
Leider müssen meine Kolleg:innen und ich uns in einigen Fällen geschlagen geben bzw. Ratsuchende an fachkundige Personen außerhalb der Paarbegleitung weiterleiten.
Gründe hierfür sind, neben weiteren Problematiken, beispielsweise Substanzmissbrauch (etwa Beruhigungsmittel) und Sucht- und Zwangserkrankungen.
Ein grobes Erkennungsmerkmal von Missbrauch und Sucht, aber auch von Zwangserkrankungen:
Immer wenn es ein Zuviel von etwas gibt und das eigene und oft auch partnerschaftliche/familiäre Leben beeinträchtigt.
Beispiele:
Wenn eine:r der Partner:innen das halbe Monatseinkommen (und mehr) verspielt und trotz Einsicht in das Problem nicht aufhören kann, ist eine spezialisierte Suchtherapie die richtige Maßnahme – keine Paararbeit.
Plagt sich einer der beiden mit Gedanken, die ihn sehr stören und immer wiederkehren, oder muss er sich alle halbe Stunde die Hände waschen, ohne etwas Schmutziges angefasst zu haben:
Bitte Psychotherapie, eventuell unterstützt durch Medikamente.
In eine Behandlung können, je nach Situation und Einschätzung, stundenweise auch die Partner:innen einbezogen werden. Das ist dann keine klassische Paarbegleitung, sondern nennt sich Angehörigenarbeit.
Auch kann gegebenenfalls eine Paararbeit im Rahmen der Systemischen Psychotherapie (sog. Mehrpersonensetting) bei approbierten Psychotherapeut:innen verordnet werden.
Die oben vorgestellten Maßnahmen – die Angehörigenarbeit und das Mehrpersonensetting der Systemischen Psychotherapie – werden von den gesetzlichen Krankenkassen normalerweise ohne Wenn und Aber und von den privaten Kassen gemäß vertraglicher Vereinbarung bezahlt.
Keine gute Nachricht:
Eine ausgeprägt narzisstische oder gar eine antisoziale Persönlichkeitsstruktur mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Partner:innen (Beschädigung von Selbstwert, Selbstbewusstsein und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, offene oder verdeckte seelische Gewalt bis zu schweren körperlichen Misshandlungen usw.) können mit einer Paarbegleitung nicht beeinflusst werden (und auch nur vergleichsweise selten mit Psychotherapie).
Ich habe einen familiären Hintergrund und Beiträge im Umfang eines eBooks zum freien Download in Vorbereitung.
Meinen Beitrag Wann eine Paartherapie erfolglos ist, der andere Gründe für ein Scheitern aufgreift, können Sie bereits jetzt anklicken.
Das können Sie tun
Bitte wenden Sie sich, wenn Sie sich unsicher sind, ob beispielsweise eine psychische oder eine Suchterkrankung vorliegen könnte, an
Dies ist ein kostenfreier und unverbindlicher Beratungsservice des Psychotherapie-Informationsdienstes, einem Ableger des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP).
Dort bekommen Sie telefonisch alle nötigen Informationen, fundierten Rat und natürlich Hilfe bei der Suche nach den richtigen Ansprechpartner:innen.
