Mit die größten Hindernisse für Veränderungen

Im Grunde wissen wir es alle: Veränderungen, die Hand und Fuß haben sollen, sind immer selbstbestimmt und ausschließlich durch eigenes Wollen zu bewerkstelligen. Sie können nicht von „außerhalb“ angeordnet werden.

Dies liegt unter anderem daran, dass jedes Verhalten einen (unbewussten) Grund hat. Für unsere Psyche oft sogar einen guten Grund, selbst wenn es ganz und gar nicht danach aussieht und die Folgen (heute) negativ sind.

Bleibt dieser Grund im Dunkeln, werden wir mit unseren löblichen Vorsätzen nicht weit kommen. Und dies, obwohl wir uns redlich mühen und uns selbst und unseren Willen an die Kette nehmen.

Die nächste Gelegenheit, die diesem Willen ein Bein stellen wird, kommt so sicher wie der Nebel im Herbst. Es erfordert ein hohes Maß an Selbstvergewaltigung und Verbissenheit, um trotzdem bei der Stange zu bleiben.

Im Wort „Selbstvergewaltigung“ steckt bereits der Preis, den wir zu zahlen haben:

Unser Wohlbefinden bekommt Schlagseite, und das, was wir gerade tun, wird uns gründlich verleidet. Nicht zuletzt kann es passieren, dass wir unseren Missmut an der falschen Stelle auslassen. Das belastet auch unsere Beziehungen.

Tatsache ist:

In vielen Bereichen unseres Lebens und in aller Regel – Ausnahmen bestätigen diese Regel – können wir unser gewohnheitsmäßiges Denken, Fühlen und Verhalten nicht „mal eben so“ und von einem Tag auf den anderen umkrempeln, wie man Möbel umstellt.

Ja nicht einmal dann, wenn der Wunsch nach Veränderung von uns selbst ausgeht, werden wir ohne „Anfechtungen“ an uns arbeiten können. Denn Veränderungen bergen Unsicherheit, und Unsicherheit ist unserer Psyche ein Gräuel!

Die unbewusste Überlegung:

Das, was ist, kenne ich. Auch wenn es sch…e ist. Kann ich wissen, ob nicht alles noch schlechter wird und all meine Zeit und mein Engagement (mein Geld, meine Anstrengung usw.) für die Katz sind?

Geht der Veränderungswunsch ausschließlich oder zu einem guten Teil von anderen Personen aus, stehen die Chancen ohnehin ganz schlecht. Denn wir werden, und dies völlig zu Recht, „fuchsig“, wenn jemand glaubt, an uns herumschrauben zu müssen. Es ist unsere Angelegenheit!

Rutsch mir den Buckel runter!

Die meisten von uns reagieren auf subtilen oder direkten Druck mit einer Form von Gegendruck, zumindest machen wir auf irgendeine Weise die Schotten dicht und lassen die Jalousien herunter.

Können wir aus bestimmten Gründen nicht offen rebellieren, verlagern wir unseren Widerstand und Groll auf andere Ebenen.

Bewusst oder unbewusst fällt uns etwas ein, wie wir die Kontroll- und Umgestaltungsbemühungen anderer Menschen sabotieren können. Am besten so, dass man uns nicht wirklich an den Karren fahren und uns wegen „fehlender Mitarbeit“ oder eines mangelnden guten Willens anklagen kann:

„Oh, Schatz, tut mir echt leid, das hab’ ich in dem Trubel ganz vergessen!“

„Scheibenkleister, das ist mir jetzt aber gründlich danebengegangen! Dabei habe ich mich so bemüht … “

„Nee, äh, sorry, aber da hab’ ich keine Zeit. Und am Samstag geht’s auch nicht … “.

Jedenfalls werden diejenigen, die so unbedingt etwas von uns wollen, mit Vollgas gegen die Wand brettern!

Der schöne Schein … trügt!

Druck, Kontrolle und sich den Mund fusselig reden mögen zwar in dem einen oder anderen Fall und dem Anschein nach Wirkung zeigen.

Aber sobald man die Zügel lockerlässt, ist wieder alles beim Alten. Die mit Druck und Kontrolle durchgesetzte Veränderung war auf Sand gebaut und kostete nur jede Menge Kraft.

Soll heißen:

Es funktioniert nicht!

Davon einmal ganz abgesehen:

Druck, Kontrolle und einen Menschen immer wieder ungebeten zu seinem angeblich eigenen Besten belehren, „beraten“ oder gar „therapieren“ zu wollen, hat in einer partnerschaftlichen, familiären oder freundschaftlichen Beziehung nichts zu suchen.

Der Spruch: „Gut gemeint ist noch lange nicht gut (gemacht).“ zeigt die Misere auf, in der wir uns befinden, wenn wir uns immer wieder als Retter betätigen und andere mit Nach-Druck zu ihrem „Glück“ verhelfen wollen.

Ja, natürlich, man mag durchaus Recht haben. Womöglich sogar zu einhundert Prozent.

Aber was nutzt das?

Unausweichlich entsteht ein brisantes Machtgefälle:

Hier der kluge Rat- und Anweisungsgeber, dort derjenige, der Rat und Anweisungen dankbar entgegennehmen und sich doch, bitte schön, danach richten soll (was er oder sie zumeist nicht tut).

Das ist nichts weniger als demütigend, denn auf diese Weise senden wir das Signal: Du brauchst Hilfe und Anleitung. Weil du – in meinen Augen – zu schwach und unfähig bist.

Nicht zu verwechseln ist dies mit Hinweisen und Bitten, weil sich jemand um unsere Gesundheit oder unser Wohlergehen sorgt, oder mit freundlichen Anmerkungen à la: „Entschuldigen Sie bitte, aber Ihr Hosenstall steht offen.“ Dies ist eine Situation, in der wir trotz peinlichem Berührtsein dankbar sind, dass uns jemand darauf aufmerksam macht.

Dasselbe gibt es in der psychologischen Variante. Ein Hinweis wie etwa: „Mir fällt auf, dass du völlig fremden Menschen sehr viel Vertrauen entgegenbringst. Ich befürchte deshalb, dass du mal an den Falschen geraten könntest.“ ist vielleicht unangenehm, aber nicht demütigend.

Der eine beschreibt dem anderen sachlich, was er beobachtet und worüber er sich Gedanken macht. Er unterfüttert die Sache nicht mit einer herabwürdigenden Bewertung.

Demütigend wäre: „Meinst du nicht, dass du nicht immer so vertrauensselig sein solltest? Da sind immer irgendwelche Typen auf Dummenfang, und du bist die ideale Beute!“

Bedenken wir:

Demütigungen werden nicht einfach hingenommen und vergessen. Wer gedemütigt und damit niedergedrückt wird, findet – vorausgesetzt, er ist nicht schon völlig entkräftet – einen bewussten, halb-bewussten oder unbewussten Weg, sich wieder aufzurichten.

Es handelt sich um eine normale und gesunde psychische Reaktion. Sie kann sich rein innerlich abspielen (etwa, indem man den Demütigenden abwertet) oder so manches Mal in Vergeltungsmaßnahmen gipfeln – offene, halb offene und komplett verdeckte.

Moralisch sind Racheakte natürlich eine fragwürdige Angelegenheit, wenn auch – sofern sie nur im eigenen Kopf Gestalt annehmen – menschlich verständlich.

Tatsache ist:

Ratschläge müssen nicht zwangsläufig Schläge sein, wie es ein Spruch postuliert. Es kommt auf die innere wie äußere Haltung des Ratgebenden an.

Und natürlich auf die Art, wie ein Ratschlag an die Frau, den Mann, das Kind oder den Jugendlichen gebracht wird.

Rat-Schläge allerdings, die unreflektiert und wiederholt an vermeintlich Bedürftige ausgeteilt werden, sind ein Herumfuchteln mit dem Vorschlaghammer und fallen unter die Kategorie „Thema verfehlt“.

Da-Sein und Wissen anbieten

Nicht zuletzt aus diesem Grund möchte ich auch im professionellen Sinne lieber von Begleiten als von einem Rat-Geben sprechen, wobei das Rat-Geben zur richtigen Zeit in der richtigen Weise Gold wert sein kann.

Dennoch gehen ich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen davon aus, dass Sie eines gewiss nicht nötig haben: Predigten, Belehrungen und starre Handlungsanweisungen.

Was Sie aber wahrscheinlich gut gebrauchen können, ist jemand, der Ihnen die richtigen Fragen stellt, so dass Sie mehr und mehr Klarheit für sich gewinnen und mit Ihrem eigenen inneren Wissen und Ihrem persönlichen „Inneren Ratgeber“ besser in Kontakt kommen.

Denn durch größere Klarheit und einen besseren Kontakt zu sich selbst, zusammen mit geeigneten psychologischen Kenntnissen, wird überhaupt erst die Grundlage für Veränderung geschaffen.

Es ist eine Veränderung, für die Sie sich aus freien Stücken entscheiden, und nicht, weil Partner, Partnerin, Berater, Therapeutin oder irgendjemand sonst dies gerne so hätte.

Außerdem:

Veränderungen wachsen auf dem Feld der Geduld und brauchen stetes Üben.

Geduld allerdings heißt nicht, dass es endlos lange dauern muss, bevor sich etwas tut. Geduld meint vor allem das Verständnis, dass die allermeisten Veränderungen nicht von Jetzt auf Gleich zu bewerkstelligen sind.

Stetes Üben wiederum ist weit davon entfernt, mit der Peitsche in der Hand hinter sich oder anderen zu stehen und jedes Danebengreifen mit (Selbst-)Vorwürfen und womöglich noch mit verbaler oder sonstiger Bestrafung zu quittieren.

Bloß nicht!

Gelernt ist gelernt

Stellen Sie sich vor, Sie bauen bei sich zu Hause um. Über drei Jahrzehnte war der Lichtschalter links zu finden, wenn Sie zur Tür hereinkamen. Nach dem Umbau ist er rechts angebracht.

Was denken Sie, wie oft Sie in der ersten Zeit automatisch nach Links fassen werden?

Es wird einige Zeit ins Land gehen, bis Sie sich umgewöhnt haben. Und selbst danach kann es noch hin und wieder passieren, dass Sie links das Licht einschalten wollen.

Beispielsweise, wenn Sie müde, verärgert, traurig oder angeheitert sind – flugs ist man wieder in der alten Schiene. Dies sind banale Alltagssituationen, in denen es auf nichts ankommt.

Vom Prinzip her ähnlich, wenn auch wesentlich komplexer, finden Veränderungen in anderen Lebensbereichen statt – Bereiche, in denen es oft um sehr viel mehr geht als nur um ein schlichtes „Danebengreifen“.

Umso wichtiger ist es deshalb, sich von Müssen und Sollen zu verabschieden.

Besonders in Herzensangelegenheiten führt ein guter Weg nie über ein Muss, sondern immer nur über das sich selbst Beobachten, Erkenntnis gewinnen, Nachdenken, alle (!) Gefühle wahr- und ernstnehmen bis hin zur entscheidenden Frage, wie man künftig (ganz) anders miteinander umgehen will.

Verständliche psychologische Kenntnisse und ein gutes Mit-sich-selbst-verbunden-Sein pflastern diesen guten Weg und sorgen gleichzeitig für ein Sicherheit gebendes Geländer.

Das kann manchmal herausfordernd sein (wie bei einer bevorzugten Sportart), oft aber richtig Spaß machen. Beides gehört untrennbar zusammen.

Es lohnt sich!