Onlinepaartherapie hat sich als Alternative zu einem Arbeiten vor Ort und sogar als ausschließliche Dienstleistung etabliert.
Was halte ich davon?
Sehr weit weg oder ganz nah dran
In meinen Weiterbildungen im Personalwesen konnte ich ausgiebig testen, wie ich Dozent:innen und andere Teilnehmende über Zoom wahrnehme:
Trotz Ton und Bild sehr „reduziert“. Für mich war es fast so, als hätte eine Wand zwischen uns gestanden.
Meine psychologische Ausbildung ist u. a. darauf ausgerichtet, feinste Veränderungen in Mimik, Gestik, Stimme und Körperhaltung (wozu auch der Unterkörper gehört!) zu registrieren. Das gibt mir wertvolle Hinweise, worauf ich im jeweiligen Moment besonders achten, ob ich nachfragen oder in spezieller Weise reagieren soll.
Dank dieser trainierten Wahrnehmung bin ich mir über die Entwicklung in einer Psychologischen Beratung oder Paartherapie sicherer, ich kann mögliche belastende Gefühle schneller abfangen und auch positive Tendenzen zügiger erkennen und gezielter fördern.
So praktisch und vereinfachend Onlinetermine auch wären, ich möchte nicht auf eines meiner kostbarsten Tools in der Begleitung verzichten:
Meiner geschulten Beobachtungsgabe und meinem guten Gespür im direkten Kontakt.
Es gibt Paarbegleiter:innen, die Onlinetermine vehement ablehnen. Und auch ich bin, wie Sie eben gelesen haben, kein Fan davon.
Deshalb im Folgenden einige Hinweise, wenn Sie bei einer Kollegin oder einem Kollegen “digital” statt “analog” Rat suchen:
Grundsätzlich wichtig
Schaufeln Sie sich mindestens 10 Minuten vor dem Gespräch und etwa eine viertel bis eine knappe halbe Stunde nach dem Termin Zeit für sich frei.
Würden Sie zu einem Termin vor Ort fahren, wären Sie vermutlich mit Hin- und Rückweg wenigstens 20 bis 30 Minuten unterwegs. Außer Sie wohnen, wie ein Ehepaar, das ich begleitet hatte, gleich um die Ecke. Es hatte mich aufgrund der geringen Entfernung ausgesucht …
In diesen Fahrzeiten gewinnen Sie automatisch etwas Abstand, seelischen wie räumlichen. Sie machen sich aktiv auf den Weg, fort von Ihrem Zuhause, in dem Sie vielleicht schon länger Missstimmungen erleben.
Jetzt aber fahren Sie in ein anderes “Revier” und in eine Umgebung, die Sie mit einer angenehmen, schützenden Atmosphäre empfängt.
Manche Paare machen noch vor dem Klingeln an der Tür einen kleinen Spaziergang, manche erst danach, und einige davor und danach.
Diese Paare geben sich Zeit, um anzukommen und sich auf das psychologische Arbeiten einzustellen. Und ebenso geben sie sich Zeit, den Termin aus- und nachklingen zu lassen.
Das rät die Kiegeland für Ihre Onlinepaartherapie
(oder für Onlineberatung und Onlinecoaching)
1. Tipp
Gehen Sie einige Minuten spazieren (allein oder zu zweit), hören Ihre Lieblingsmusik, nehmen kurz eine heiße Dusche oder gönnen sich, was Ihnen erfahrungsgemäß guttut.
Bitte setzen Sie sich nicht, kaum dass Sie eine geistig (heraus-)fordernde Tätigkeit abgeschlossen oder diese für den anstehenden Termin unterbrochen haben, an den PC!
Sie werden leichter ins Gespräch finden, wenn nicht irgendwelche privaten oder beruflichen Themen (unbewusst) Aufmerksamkeit kosten.
2. Tipp
Bevor Sie sich zu Ihrem Sitzplatz begeben, machen Sie einen Abstecher in der Küche. Dort gehen Sie am besten nicht zum Kühlschrank und holen sich eine Cola, einen Saft oder ein Wasser, sondern machen sich (entkoffeinierten) Kaffee oder Tee. Egal was. Nur warm sollte das Getränk sein (und für Sie nicht massiv aufputschend), auch im Sommer bei 32° C im Schatten.
Der Hintergrund:
In Stress-Situationen – Paarbegleitung gehört aus Sicht unserer Psyche eindeutig dazu – helfen warme Getränke, das Nervensystem zu beruhigen.
3. Tipp
Lümmeln Sie nicht in T-Shirt und durchgewetzter Trainingshose herum, machen Sie sich (ein kleines bisschen) chic – als würden Sie für die Paarbegleitung das Haus verlassen.
Bei diesem Tipp geht’s nicht um Außen-, sondern um Innenwirkung!
Ihrer Paarberaterin, Ihrem Paartherapeuten oder Ihrem Paarcoach ist es völlig wurscht, wie Sie aussehen. Wenn Sie gern Termine im Bademantel wahrnehmen oder zuvor an Ihrem Motorrad geschraubt haben und sich nicht extra umziehen wollen, interessiert das keinen Uhu.
Aber:
Wenn Sie ein gepflegtes und gut angezogenes Gefühl empfinden, stärkt das unbewusst Ihren Selbstwert. Ihr Selbstwert wiederum ist Ihr Verbündeter in “schwierigen” Gesprächen.
Meine Erfahrung mit mir selbst und in der Beobachtung bei anderen Menschen:
Ordentlich angezogen ist alles ein wenig einfacher:
Das Widersprechen, das Zu-sich-selbst-Stehen, das (sofern nötig) Beharren auf der eigenen Sichtweise usw.
Nun mag es Leute geben, die von solch “banalen” Dingen wie Kleidung, Make-up etc. unberührt bleiben, aber bei den meisten von uns spielt unsere äußere Erscheinung in unser inneres Bild von uns hinein. Und nimmt damit Einfluss auf unseren Selbstwert, der seinerseits dazu beiträgt, dass wir kraftvoll(er) kundtun können, womit wir – beispielsweise – einverstanden sind und womit nicht.
4. Tipp
Sehen Sie zu, dass Sie bequem sitzen, und sitzen Sie aufrecht! Positionieren Sie Ihren PC so, dass Sie den Kopf nicht senken und/oder dass die Augen nach unten blicken müssen (eventuell Bücher drunterlegen).
Achten Sie Ihrer Kopf- und Nacken- wie auch Ihrer “psychologischen” Muskeln zuliebe auf Augenhöhe!
Und mit bequem sitzen meine ich eine nicht zu harte und nicht zu weiche Sitzfläche und eine gerade bzw. allenfalls nur leicht geneigte gepolsterte Lehne.
Uromas liebevoll restaurierte Holzstühle mit harter Lehne und ebensolcher Sitzfläche sind eher weniger geeignet, auch nicht mit Kissen darauf und mit zusätzlichem Kissen im Kreuz.
Von ergonomischen Hockern, Pezzibällen für einen gesunden Rücken usw. würde ich ebenfalls absehen.
5. Tipp
Nach Ihren Onlineterminen tun Sie eines bitte nicht:
Sofort den Faden dort wiederaufnehmen, wo Sie ihn vorher haben fallen lassen. Bitte geben (nicht nehmen, wie es immer heißt) Sie sich die Zeit, zusammen oder auch alleine etwas “herunterzukommen”.
Und auch wenn Sie ein “cooler”, womöglich gar ein “sachlicher” Typ sind, den nichts so schnell aus seiner meditativ-souveränen Haltung haut:
Unterschätzen Sie nicht die Nach-Wirkung professionellen psychologischen Arbeitens!
Meine Empfehlung, wenn Sie im Anschluss noch privat oder beruflich “funktionieren” müssen und Sie es irgendwie einrichten können:
Gehen Sie für einige Schritte nach draußen oder machen sich Ihr bevorzugtes Heißgetränk und setzen sich in einen anderen Raum oder zumindest in eine andere Ecke, um (erst einmal) auch physisch mit dem Gespräch abzuschließen.
Auf jeden Fall aber:
Hetzen Sie sich nicht, und scheuchen Sie Ihre Psyche nicht von einer Situation in die nächste.
Kommen Sie in Ruhe wieder in Ihrem Alltag an!
