Bei mir bekommen Sie so manche psychologische Leistung, aber kein Seminar zur Heilung/Verbesserung der Beziehung und auch keine Intensivtage in Paarberatung, Paarcoaching oder Paartherapie.
Aus welchen Gründen lasse ich mir diese lukrativen Einnahmequellen entgehen?
Widmen wir uns zuerst den Intensivtagen:
Paartherapie im psychologischen Schnell-Restaurant
Ein kompaktes Arbeiten über einen, zwei oder drei Tage (meist am Wochenende) mit einem einzelnen Paar halte ich für gewagt.
Das kann gut laufen, wenn es sich um ein eher „leichtes“ Problem handelt.
Und dann sollte dieses Problem bitte auch nachhaltig bearbeitet sein. Kein Verfallsdatum von nur wenigen Wochen bis Monaten.
Aber:
Wenn es sich um ein eher leichtes Problem handelt, würden mit großer Wahrscheinlichkeit wenige Sitzungen ausreichen, und die Geschichte müsste sich nicht über einen Tag oder das ganze Wochenende ziehen!
Kämpft ein Paar hingegen mit mittelgroßen bis größeren Schwierigkeiten, bietet sich ein Vergleich an:
Wenn Sie zu Mittag oder zu Abend essen, führen Sie die Gabel mit einer für Sie passenden Portion zum Mund, kauen und schlucken.
Nächster Bissen: kauen und schlucken.
Im Magen angekommen, beginnt der größte Teil des Verdauungsprozesses.
Jetzt aber komme ich daher, stopfe Ihnen einen Bissen nach dem anderen in den Mund, verlange dabei, dass Sie mit diesem übervollen Mund trotzdem anständig kauen (was nicht geht) und diese Menge auch noch in einem Rutsch hinunterschlucken.
Wie es da um eine gute Verdauung bestellt ist, brauchen wir nicht zu diskutieren.
Und was mit Mund, Magen und Darm schon nicht funktioniert, schafft auch unsere Psyche nicht!
Ja, sicher:
Lösungen können oft rasch gefunden werden. Veränderungen können sich zügig ergeben.
Aber sind sie auch in der Tiefe fundiert? Haben Sie eine echte Basis, einen buchstäblich guten Grund, auf dem sie Bestand haben können?
Psychische Prozesse brauchen in der Regel (etwas) Zeit. Der Psyche diese Zeit nicht zu geben, ist aus meiner Sicht fahrlässig!
Schnelle Begleitung, schnelle Entscheidung
Oder nehmen wir den Wunsch eines Paares, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob es zusammenbleiben will.
Natürlich ist es verführerisch, sich vorzustellen, dass man in einem, zwei oder drei Tagen freie Sicht auf das gewinnen könnte, was bisher im Nebel an widersprüchlichen Gefühlen, Hoffnungen, Sorgen, Ängsten und auch nicht geäußerten Wünschen versinkt.
Und auch für mich als Paartherapeutin wäre ein solches Format eine geniale Sache!
Ich könnte die Begleitung in einem Zug ohne Störung durch andere Geschäfte und Geschäftigkeiten durchziehen und in einem, zwei oder drei Tagen das erreichen, wofür man sonst vermutlich einen Zeitraum von mehreren Wochen benötigen würde.
Das würde mir in mehrfacher Hinsicht jede Menge Aufwand sparen. Und ich würde in dieser Zeit gutes Geld verdienen:
Pro voller Stunde 140 €, multipliziert (zum Beispiel) mit 10 Stunden, das Ganze auf Samstag und Sonntag verteilt, zwischendurch immer wieder Pausen … klasse!
An einem Wochenende hätte ich 1176,47 € netto eingenommen. Mit nur einem Paar.
Aber halt!
Ist das wirklich so?
Könnte ich tatsächlich in dieser kurzen Zeit, zusammen mit dem Paar, das zuwege bringen, was sich sonst über mehrere Sitzungen à 90 Minuten erstrecken würde?
Und ist der Vorteil, verhältnismäßig schnell zu einer Erkenntnis zu kommen, tatsächlich ein Vorteil? Also für das Paar?
Ich bin da mehr als skeptisch und sage nein.
Weil:
Erkenntnisse ereilen uns nicht selten in der „Rohfassung“. Längst nicht immer ist eine Erkenntnis in sich so stabil, dass sie als End-Ergebnis eines kürzeren oder längeren Prozesses unverändert bleibt.
Was ich heute als „ultimative“ Erkenntnis feiere, kann schon in einem Monat ein anderes Gesicht haben. Im Kern vielleicht noch identisch, aber es sind weitere Aspekte hinzugekommen – durch die für mich zunächst unbewusste Arbeit meiner Psyche am Thema, aber auch durch meine ganz bewusste Beschäftigung:
Indem ich immer wieder darüber nachdachte und noch immer darüber nachdenke.
Es können dies exakt die Aspekte sein, die letztlich maßgeblich dafür sind, welchen Weg ich aufgrund dieser Erkenntnis einschlagen werde.
Wer würde orakeln wollen, ob die Entscheidung heute nicht ganz anders ausfiele als vor 30 Tagen?
Tja, Pech!
Allerdings wird Ihnen das, was ich gerade beschrieben habe, nicht möglich sein! Sie haben in einem, zwei oder drei intensiven Tagen nicht den Hauch einer Chance, dass diese so wichtigen und elementaren inneren Vorgänge ablaufen können.
Denn zwischen den einzelnen Sitzungen gibt es nur Unterbrechungen wie Mittags- und Kaffeepausen und vielleicht eine Nacht, in der Sie hoffentlich gut schlafen und sich nicht unruhig von einer Seite auf die andere wälzen.
Mit großer Wahrscheinlichkeit gehen Sie, wenn das kompakte Arbeiten beendet ist, mit einer unausgegorenen Sicht auf Ihre Situation nach Hause, wissen aber nicht, dass sie naturgemäß kaum etwas anders sein kann als unausgegoren.
Und treffen dann auf der Grundlage eines auf kürzeste Zeit zusammengestauchten und daher unfertigen Erkenntnisprozesses eine Entscheidung …
Noch eine “Kleinigkeit”
Für eine intensive Begleitung in Paarberatung, Paarcoaching oder Paartherapie über ein, zwei oder drei Tage wird im Voraus eine bestimmte Zahl an Stunden veranschlagt und fix eingeplant.
Woher, bitte schön, will ich als Paarbegleiterin oder Paarbegleiter denn wissen, welches Zeitkontingent für das Paar passend ist?
Und wenn beispielsweise 12 oder 14 volle Stunden, verteilt auf drei Tage, vorgesehen sind und dann auch abgeleistet werden, aber in einer „normalen“ Paarbegleitung würde man deutlich weniger benötigen (und umgerechnet auf 90-Minuten-Sitzungen), weil die Psyche die Gelegenheit bekommt, in Ruhe mitzuarbeiten … ja, bitte, was ist das dann?
Über eine solche „Unbekümmertheit“ im Umgang mit der Zeit, der Psyche und den finanziellen Mitteln anderer Menschen kann ich nur staunen … und ebenso über die psychologische Ausbildung, die man angeblich genossen hat.
Weil wir gerade dabei sind:
Konfliktdynamiken lassen sich nicht selten bereits in der ersten, zweiten oder dritten Sitzung „brechen“ oder zumindest unterbrechen. Dafür muss man keine acht oder mehr Stunden in Folge aufwenden.
Worauf es im Anschluss an diese erste, zweite oder dritte Sitzung ankommt, ist genau das, was – auch – ein wenig Zeit braucht. Nicht unbedingt Zeit, die man in einer Praxis zubringt. Gemeint ist vor allem die Zeit, die unsere Psyche benötigt, um sich neu zu „formatieren“.
Deshalb werden Sitzungen mit wenigen Ausnahmen nicht zu dicht gelegt – ein Umstand, der bei Intensiv-Formaten völlig flachfällt. Es geht, von kurzen Pausen abgesehen, in einem Schwung durch.
Seminare zur Verbesserung/Heilung von Beziehungen
Und auch Seminare übers Wochenende oder sogar eine ganze Woche mit vier, fünf, zehn Paaren … hmmm, ich weiß nicht recht.
Selbes Problem, ähnlicher Blickwinkel:
In kurzer Zeit wird verhältnismäßig viel be- und erarbeitet. Allerdings kann man sowohl als Paarberater:innen, Paartherapeut:innen, Paarcoaches und auch als Paar nicht allzu tief schürfen.
Wenn aber ausgerechnet ein spezielles Thema genauer hätte angeschaut werden müssen, das gar nicht zur Sprache kommen konnte? Ja, von dem man nicht einmal ahnt, dass es vorhanden ist und das sich in einer regulären Paarbegleitung durch ein achtsames “Abklopfen” oder im Laufe des Prozesses nach und nach herauskristallisiert hätte?
Zudem haben Seminarinhalte aller Art die unerfreuliche Tendenz, sich in der Erinnerung zu verflüchtigen.
Selbst emotional eindrücklichere Erlebnisse verblassen rascher, wenn mehrere davon innerhalb kurzer Zeit erfahren wurden.
Es geht einfach zu schnell, die Psyche kommt nicht hinterher!
Fazit:
Paarseminare und Intensivtage rangieren bei mir unter der Kategorie bedenklich.
